Symptome
Eine AN tritt ausschließlich in Zusammenhang mit einem langfristig erhöhten Alkoholkonsum und Alkoholismus auf. Die Erkrankung nimmt einen schleichenden Verlauf und Betroffene werden selten in frühen Stadien der AN vorstellig. Erste Symptome treten meist in Form von Missempfindungen auf, die für gewöhnlich bis in fortgeschrittene Stadien der Erkrankung bestehen, auch wenn sich das klinische Bild dann komplexer gestaltet [1].
Die Betroffenen klagen anfänglich über ein starkes Brennen der Haut der unteren Extremitäten. Ihr Schmerzempfinden ist derartig verändert, dass unschädliche Reize bereits Schmerzen verursachen (Allodynie) und Schmerzreize verstärkt wahrgenommen werden (Hyperalgesie). Die Symptome steigen auf und erfassen schließlich auch die Arme. Die distalen Abschnitte der Gliedmaßen sind jeweils zuerst betroffen, aber Parästhesien und Dysästhesien werden schließlich auch in proximalen Anteilen der Extremitäten wahrgenommen. Weiterhin kann es zu Sensibilitätsausfällen kommen. Bei fortgeschrittener Erkrankung setzt schließlich eine allgemeine Schwäche ein, die in Kombination mit den sensorischen Defiziten das Risiko zu Stürzen und Verletzungen wesentlich erhöht [2]. In diesem Zusammenhang können auch Gehstörungen beobachtet werden.
Diagnostik
Die Diagnose der AN basiert auf der des Alkoholismus, die wiederum von den Angaben abhängt, die der Patient oder Dritte in der Anamnese bereitstellen [3]. Elektrophysiologische Studien können zwar angestellt werden, um eine Polyneuropathie zu identifizieren, aber die Ergebnisse sind nicht spezifisch für eine AN. Häufig erhobene Befunde sind reduzierte Amplituden der Antwortpotenziale und geringgradig bis mäßig verminderte Leitungsgeschwindigkeiten der betroffenen Nerven [4]. Ähnliches gilt auch für die Untersuchung von Nervenbiopsien, die zumeist eine reduzierte Faserdichte sowie Anzeichen einer Axondegeneration bei gestörter Aussprossung der Axone erkennen lassen [4].
AN-Patienten leiden häufig an weiteren Folgen des langfristigen Alkoholabusus. Dazu zählen unter anderem die alkoholische Leberkrankheit oder Alkoholhepatitis, die alkoholische Kardiomyopathie und Nährstoffmangel. So kann Alkoholismus zu einem Thiaminmangel und zur Wernicke-Enzephalopathie führen, die im Gegensatz zur AN jedoch in der Regel mit einer zentralnervösen Symptomatik einhergeht. Einzelne Symptome können allerdings sowohl der AN als auch der Wernicke-Enzephalopathie zugeordnet werden: Gehstörungen aufgrund von Sensibilitätsausfällen und Schwäche sind nicht immer leicht von einer zentral bedingten Ataxie zu unterscheiden, und in manchen Fällen tragen beide zum klinischen Bild bei [1] [5].
Auf der einen Seite unterstreichen Symptome, die im Zusammenhang mit den genannten Pathologien auftreten, den Verdacht auf eine AN. Auf der anderen Seite müssen selbst in Abwesenheit solcher Symptome entsprechende diagnostische Maßnahmen eingeleitet werden, um den Zustand von Leber, Herz und anderen Organen zu überprüfen [6]:
- Blutuntersuchungen sind anzustellen, wobei besondere Aufmerksamkeit den hepatischen Transaminasen und der γ-Glutamyltransferase gilt, außerdem den Markern kardialer Läsionen NT-proBNP, Troponine, Kreatinkinase Isoform MB, sowie dem Glukosespiegel und dem Elektrolythaushalt.
- Besonders bei Hyperglykämie sollten weitere Messungen zur Nüchternblutglukose und zur Glukosetoleranz erfolgen, um eine diabetische Neuropathie auszuschließen.
- Bei Verdacht auf Läsionen von Leber, Herz und Hirn kann eine bildliche Darstellung dieser Organe mittels Sonographie, Computertomographie oder Magnetresonanztomographie indiziert sein.
Therapie
Die Behandlung der alkoholischen Neuropathie konzentriert sich auf die Reduzierung der Symptome und die Verhinderung weiterer Nervenschäden:
- Alkoholkarenz: Der wichtigste Schritt ist der vollständige Verzicht auf Alkohol.
- Medikamente: Schmerzmittel und Antikonvulsiva können zur Linderung der Schmerzen eingesetzt werden.
- Physiotherapie: Zur Verbesserung der Muskelkraft und Koordination.
- Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung, eventuell ergänzt durch Vitaminpräparate.
Prognose
Die Prognose hängt stark vom Zeitpunkt der Diagnose und der Bereitschaft des Patienten ab, den Alkoholkonsum einzustellen. Bei frühzeitiger Intervention und vollständiger Abstinenz können sich die Symptome verbessern. In fortgeschrittenen Fällen kann es jedoch zu bleibenden Schäden kommen.
Ätiologie
Die Hauptursache der alkoholischen Neuropathie ist der chronische und übermäßige Konsum von Alkohol. Alkohol wirkt toxisch auf die Nerven und kann auch zu Mangelernährung führen, was die Nervenschädigung weiter verschlimmert.
Epidemiologie
Alkoholische Neuropathie ist eine häufige Komplikation bei Menschen mit Alkoholabhängigkeit. Schätzungen zufolge sind etwa 25-66% der chronischen Alkoholiker betroffen. Die Prävalenz variiert je nach Region und Trinkgewohnheiten.
Pathophysiologie
Die Pathophysiologie der alkoholischen Neuropathie umfasst direkte toxische Effekte von Alkohol auf die Nerven sowie indirekte Effekte durch Mangelernährung, insbesondere Vitamin-B1-Mangel (Thiamin). Diese Faktoren führen zu einer Degeneration der Nervenfasern.
Prävention
Die wirksamste Prävention besteht in der Vermeidung von übermäßigem Alkoholkonsum. Eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige medizinische Untersuchungen können ebenfalls helfen, das Risiko zu verringern.
Zusammenfassung
Alkoholische Neuropathie ist eine ernsthafte Erkrankung, die durch übermäßigen Alkoholkonsum verursacht wird. Sie führt zu Nervenschäden mit vielfältigen Symptomen. Eine frühzeitige Diagnose und der Verzicht auf Alkohol sind entscheidend für die Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen.
Patientenhinweise
Wenn Sie oder jemand, den Sie kennen, Symptome einer alkoholischen Neuropathie zeigt, ist es wichtig, den Alkoholkonsum zu überdenken und gegebenenfalls medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine gesunde Lebensweise und der Verzicht auf Alkohol sind entscheidend für die Vorbeugung und Behandlung dieser Erkrankung.
Quellen
- Koike H, Sobue G. Alcoholic neuropathy. Curr Opin Neurol. 2006; 19(5):481-486.
- Chopra K, Tiwari V. Alcoholic neuropathy: possible mechanisms and future treatment possibilities. Br J Clin Pharmacol. 2012;73(3):348-362.
- Madden JS. The definition of alcoholism. Alcohol Alcohol. 1993;28(6):617-620.
- Maiya RP, Messing RO. Peripheral systems: neuropathy. Handb Clin Neurol. 2014;125:513-525.
- Mellion M, Gilchrist JM, de la Monte S. Alcohol-related peripheral neuropathy: nutritional, toxic, or both? Muscle Nerve. 2011;43(3):309-316.
- Maisch B. Alcoholic cardiomyopathy : The result of dosage and individual predisposition. Herz. 2016;41(6):484-493.