Symptome
Neugeborene zeigen noch keine klinischen Auffälligkeiten und entwickeln sich zunächst auch ganz normal. Jedoch in den ersten Lebensjahren ein zunehmender Muskelschwund ersichtlich, der das Leitsymptom der DMD ist. Anfänglich zeigen sich Gedeihstörungen: Die Kinder erlernen das Laufen sehr spät und haben generell Probleme dabei, sich vom Boden zu erheben. Wenn sie aufstehen, dann stützen sie sich dabei an sich selbst ab, was als positives Gowers-Zeichen und spezifischer Hinweis auf DMD gewertet wird. Die Kinder zeigen einen watschelnden Gang, fallen häufig hin, rennen und springen nicht. Schließlich entwickeln sie schwerwiegende Gehstörungen. Die Krankheit schreitet sehr schnell fort, sodass die Betroffenen ab einem Alter von etwa zehn Jahren auf einen Rollstuhl angewiesen sind [1]. Eine progressive Skoliose vervollständigt das klinische Bild.
In der klinischen Untersuchung ist schon frühzeitig eine proximale Muskelschwäche bei gleichzeitig bestehender Wadenhypertrophie und Gelenkkontrakturen festzustellen. Ähnliche Befunde können an den oberen Extremitäten erhoben werden [2]. Blutanalysen zeigen einen starken Anstieg des Serumgehalts der Kreatinkinase, zuweilen auch eine Erhöhung der Konzentrationen der Alanin-Aminotransferase und Aspartat-Aminotransferase [1].
Im zweiten Lebensjahrzehnt entwickeln DMD-Patienten eine Kardiomyopathie [3]. Zunächst kommt es zu einer Dilatation des linken Ventrikels mit Hypertrophie des Myokards und schließlich zu einer symptomatischen dilatativen Kardiomyopathie: Die Betroffenen klagen über Dyspnoe und Palpitationen. In der Auskultation ist ein Galopprhythmus zu vernehmen.
Wenn sich bei Frauen, die Träger der kausalen Mutation sind, Symptome einstellen, dann gestalten sich diese etwas milder und ähneln vielmehr denen einer Becker-Muskeldystrophie [4]. Eine solche Entwicklung ist bei etwa jeder zehnten Trägerin zu erwarten [5], wobei ihr Alter bei Erstmanifestation zwischen der frühen Kindheit und dem mittleren Erwachsenenalter schwankt [4].
Diagnostik
Erste Analysen sind darauf ausgerichtet, die Ursache der progressiven Dystrophie der Skelettmuskulatur zu identifizieren. Der familiären Anamnese kommt diesbezüglich eine große Bedeutung zu, aber etwa ein Drittel der Fälle beruht auf Neumutationen [1]. Zumeist wird ein begründeter Verdacht auf DMD geäußert, wenn die immunhistochemische Untersuchung einer Biopsieprobe eine verminderte Expression von Dystrophin aufzeigt. In der Histologie ist ein Verlust der kontraktilen Elemente bei erhöhtem Anteil von Bindegewebe und Fett zu erkennen [6].
Eine molekulare Bestätigung der Diagnose ist anzustreben. Die Größe des DMD-Gens - es umfasst 79 Exons und mehr als 2 Mbp - macht konventionelle Methoden wie die DNA-Sequenzierung jedoch sehr aufwendig und kostenintensiv. Da umfangreiche Deletionen und Duplifikationen für die Mehrzahl der Fälle verantwortlich sind, werden eher quantitative Bestimmungen durchgeführt, z.B. mittels multiplex-ligationsabhängiger Sondenamplifikation [7]. Das Wissen um den zugrunde liegenden Gendefekt vereinfacht die familiäre Aufarbeitung des Falles wesentlich und bildet zukünftig womöglich die Basis für eine zielgerichtete Therapie [8].
Eine gründliche kardiologische Untersuchung ist vorzunehmen, um den Fortschritt der Erkrankung einschätzen zu können, und sollte daher auch Teil regelmäßiger Verlaufsuntersuchungen sein. Wichtigste Instrumente zur Beurteilung der Herzfunktion sind Elektrokardiographie und Echokardiographie, wobei typischerweise folgende Befunde erhoben werden können [9]:
- Sinustachykardie
- Herzrhythmusstörungen
- Verkürzungsfraktion des linken Ventrikels vermindert
- Dilatation des linken Ventrikels
- Hypertrophie des Myokards
Die Ergebnisse neuerer Studien weisen darauf hin, dass die Magnetresonanztomographie eine sinnvolle Ergänzung der Echokardiographie darstellt [10].
Therapie
Obwohl es derzeit keine Heilung für DMD gibt, können verschiedene Behandlungsansätze die Lebensqualität verbessern und das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen:
- Physiotherapie zur Erhaltung der Muskelkraft und Beweglichkeit
- Kortikosteroide zur Verzögerung der Muskelschwäche
- Herz- und Atemüberwachung sowie entsprechende Behandlungen
- Experimentelle Therapien, wie Gentherapie und Exon-Skipping, die sich in der Entwicklung befinden
Prognose
Die Prognose für Patienten mit DMD hat sich in den letzten Jahren durch verbesserte Behandlungsansätze verbessert. Die Lebenserwartung kann durch eine umfassende medizinische Betreuung und den Einsatz neuer Therapien verlängert werden. Dennoch bleibt DMD eine schwerwiegende Erkrankung mit fortschreitendem Verlauf.
Ätiologie
DMD wird durch Mutationen im Dystrophin-Gen verursacht, das auf dem X-Chromosom liegt. Da Männer nur ein X-Chromosom besitzen, sind sie häufiger betroffen. Frauen können Trägerinnen der Mutation sein und die Krankheit an ihre Söhne weitergeben.
Epidemiologie
DMD ist die häufigste Form der Muskeldystrophie im Kindesalter und tritt bei etwa 1 von 3.500 bis 5.000 männlichen Neugeborenen weltweit auf. Die Krankheit ist in allen ethnischen Gruppen vertreten.
Pathophysiologie
Dystrophin ist ein Protein, das für die Stabilität der Muskelzellmembranen sorgt. Bei DMD führt das Fehlen oder die Fehlfunktion von Dystrophin zu einer erhöhten Anfälligkeit der Muskelzellen für Schäden, was letztlich zu Muskelschwäche und -abbau führt.
Prävention
Da DMD eine genetische Erkrankung ist, gibt es keine Möglichkeit, sie vollständig zu verhindern. Genetische Beratung kann jedoch Familien helfen, das Risiko der Weitergabe der Krankheit zu verstehen und informierte Entscheidungen zu treffen.
Zusammenfassung
Die Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) ist eine hereditäre Muskelerkrankung, die sich im frühen Kindesalter manifestiert. Die Erkrankung betrifft etwa einen von 4000 männlichen Neugeborenen. Eine Mutation im Dystrophin-Gen auf dem X-Chromosom (Locus Xp21.2) führt dazu, dass das Dystrophin in der Muskelzelle fehlt.
Die Erkrankung ist durch progressive Muskelschwäche gekennzeichnet. Nach dem Verlust der Gehfähigkeit ist auch eine Funktionsstörung der Atemmuskulatur im Verlauf zu erwarten. Die Lebenserwartung beträgt je nach Verlauf etwa 40 Jahre.
Patientenhinweise
Für Patienten und ihre Familien ist es wichtig, sich über DMD zu informieren und Zugang zu spezialisierten medizinischen Diensten zu haben. Regelmäßige ärztliche Kontrollen, physiotherapeutische Maßnahmen und die Teilnahme an klinischen Studien können dazu beitragen, die Lebensqualität zu verbessern und das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen. Unterstützung durch Selbsthilfegruppen und Netzwerke kann ebenfalls wertvoll sein, um den Umgang mit der Erkrankung zu erleichtern.
Quellen
- Mah JK. Current and emerging treatment strategies for Duchenne muscular dystrophy. Neuropsychiatr Dis Treat. 2016; 12:1795-1807.
- Fujak A, Haaker G, Funk J. [Current care strategies for Duchenne muscular dystrophy]. Orthopade. 2014; 43(7):636-642.
- van Westering TL, Betts CA, Wood MJ. Current understanding of molecular pathology and treatment of cardiomyopathy in duchenne muscular dystrophy. Molecules. 2015; 20(5):8823-8855.
- Soltanzadeh P, Friez MJ, Dunn D, et al. Clinical and genetic characterization of manifesting carriers of DMD mutations. Neuromuscul Disord. 2010; 20(8):499-504.
- Bushby K, Finkel R, Birnkrant DJ, et al. Diagnosis and management of Duchenne muscular dystrophy, part 1: diagnosis, and pharmacological and psychosocial management. Lancet Neurol. 2010; 9(1):77-93.
- Ohlendieck K, Swandulla D. [Molecular pathogenesis of Duchenne muscular dystrophy-related fibrosis]. Pathologe. 2017.
- Falzarano MS, Scotton C, Passarelli C, Ferlini A. Duchenne Muscular Dystrophy: From Diagnosis to Therapy. Molecules. 2015; 20(10):18168-18184.
- Aartsma-Rus A, Ginjaar IB, Bushby K. The importance of genetic diagnosis for Duchenne muscular dystrophy. J Med Genet. 2016; 53(3):145-151.
- Kirchmann C, Kececioglu D, Korinthenberg R, Dittrich S. Echocardiographic and electrocardiographic findings of cardiomyopathy in Duchenne and Becker-Kiener muscular dystrophies. Pediatr Cardiol. 2005; 26(1):66-72.
- Buddhe S, Lewin M, Olson A, Ferguson M, Soriano BD. Comparison of left ventricular function assessment between echocardiography and MRI in Duchenne muscular dystrophy. Pediatr Radiol. 2016; 46(10):1399-1408.