Symptome
Das Alter der Patienten beim Auftreten erster Symptome hängt von der spezifischen Form der Hämophilie ab. Angeborene Gerinnungsstörungen manifestieren sich bereits bei der Geburt oder kurze Zeit postnatal, während eine erworbene Hämophilie besonders häufig bei älteren Menschen auftritt. Zudem scheinen Frauen während der Schwangerschaft und in der Postpartalperiode für eine erworbene Hämophilie prädisponiert zu sein [1].
Im Allgemeinen zeigt sich eine Hämophilie durch spontane Blutungen, die nur schwer zu stillen sind. Haut- und Schleimhautblutungen in unterschiedlichem Ausmaß, Epistaxis, Zahnfleischbluten, Hämaturie, Hämatochezie oder Meläna werden beobachtet. Minimale Traumata führen zur Bildung von Hämatomen und zu Einblutungen in das betroffene Gewebe, z.B. in Muskulatur, Gelenke oder intrakranielle Räume. Entsprechend können Patienten mit Kompartmentsyndrom, Hämarthros und Hämarthrose oder neurologischen Ausfallerscheinungen vorstellig werden [2] [3]. Spontanblutungen können ebenfalls auftreten und lebensbedrohliche Ausmaße annehmen [4] [5]. Unter Umständen fällt eine Blutungsdiathese erst während eines chirurgischen Eingriffs auf.
Der andauernde Blutverlust kann schließlich eine Anämie bedingen. Betroffene klagen häufig über Müdigkeit, verminderte Leistungsfähigkeit, Konzentrationsstörungen und Kopfschmerzen. Je nach Schweregrad der Anämie können sich auch Zyanose, Dyspnoe und Herzrasen einstellen.
Es sei auch darauf hingewiesen, dass ein Teil der Patienten asymptomatisch bleibt. Einzig Anomalien, die bei der Auswertung von Gerinnungsstudien oder Blutbild auffallen, weisen hier auf eine Gerinnungsstörung hin.
Diagnostik
Anamnestische Daten, die auf eine familiäre Vorbelastung schließen lassen, sind insbesondere für die Diagnose von hereditärer Hämophilie von Bedeutung. Dagegen finden sich bei erworbener Hämophilie weder in der familiären noch in der persönlichen Krankengeschichte Hinweise auf eine Blutungsneigung.
In jedem Fall sollten bei Verdacht auf Hämophilie Gerinnungsstudien durchgeführt werden. Hierbei zeigt eine verlängerte aktivierte partielle Thromboplastinzeit eine Störung der intrinsischen Gerinnungskaskade (Faktoren VIII, IX, XI, XII) an, während die Prothrombinzeit bzw. der aus ihr errechnete Quick-Wert oder INR-Wert die extrinsische Hämostase (Faktor VII) widerspiegelt. Eine Alteration beider Parameter ist bei einem Mangel an den Gerinnungsfaktoren II, V und X zu erwarten [6]. Wird die Aktivität einzelner Gerinnungsfaktoren gemessen, lässt sich die Liste möglicher Differenzialdiagnosen weiter kürzen. So geht Hämophilie A mit einer reduzierten Aktivität von Faktor VIII einher, während eine verminderte Aktivität des Gerinnungsfaktors IX bei Hämophilie B detektiert wird. Die Ergebnisse variieren dabei in Abhängigkeit von der Blutentnahme, der Füllung der Zitratröhrchen und der Handhabung der Blutprobe, weshalb eine Einschätzung des Schweregrades der Hämophilie wiederholte Messungen erfordert [7].
Molekularbiologische Untersuchungen können realisiert werden, um im Fall einer hereditären Hämophilie den ursächlichen Gendefekt zu identifizieren. Derartige Tests werden ebenfalls zur Identifikation heterozygoter Träger und in der Pränataldiagnostik eingesetzt [8] [9]. Im Gegensatz dazu kann die Diagnose einer erworbenen Blutungsneigung durch den Nachweis neutralisierender Antikörper, die sich gegen Gerinnungsfaktoren richten, verifiziert werden. Es ist jedoch darauf zu achten, dass Antigen-Antikörper-Komplexe eine Residualaktivität zeigen können, weshalb diese Untersuchungen nicht die Messung der Aktivität des betreffenden Gerinnungsfaktors ersetzt [10].
Therapie
Die Behandlung der Hämophilie zielt darauf ab, Blutungen zu verhindern und zu kontrollieren. Die Haupttherapie besteht in der Substitution der fehlenden Gerinnungsfaktoren durch:
- Faktorpräparate: Regelmäßige Infusionen von Gerinnungsfaktorkonzentraten
- Desmopressin: Ein Medikament, das bei leichter Hämophilie A die Freisetzung von Faktor VIII stimuliert
Zusätzlich können physiotherapeutische Maßnahmen helfen, die Gelenkfunktion zu erhalten und Schmerzen zu lindern.
Prognose
Mit der richtigen Behandlung können Menschen mit Hämophilie ein weitgehend normales Leben führen. Die Prognose hängt jedoch vom Schweregrad der Erkrankung und der Qualität der medizinischen Versorgung ab. Unbehandelt kann Hämophilie zu schweren Komplikationen wie Gelenkschäden und lebensbedrohlichen Blutungen führen.
Ätiologie
Hämophilie wird durch Mutationen in den Genen verursacht, die für die Produktion der Gerinnungsfaktoren VIII oder IX verantwortlich sind. Diese Mutationen werden X-chromosomal rezessiv vererbt, was bedeutet, dass Frauen Trägerinnen sein können, während Männer häufiger betroffen sind.
Epidemiologie
Hämophilie ist eine seltene Erkrankung, die weltweit etwa 1 von 10.000 Menschen betrifft. Hämophilie A ist häufiger als Hämophilie B. Die Prävalenz variiert je nach Region und ethnischer Gruppe.
Pathophysiologie
Bei Hämophilie ist die Blutgerinnung gestört, weil die betroffenen Gerinnungsfaktoren fehlen oder defekt sind. Dies führt zu einer unzureichenden Bildung von Fibrin, einem Protein, das für die Stabilisierung von Blutgerinnseln notwendig ist. Infolgedessen können Blutungen nicht effektiv gestoppt werden.
Prävention
Da Hämophilie genetisch bedingt ist, gibt es keine Möglichkeit, die Erkrankung zu verhindern. Genetische Beratung kann jedoch helfen, das Risiko für Nachkommen abzuschätzen. Bei bekannten Trägerinnen kann eine pränatale Diagnostik in Erwägung gezogen werden.
Zusammenfassung
Hämophilie ist eine genetische Blutgerinnungsstörung, die zu erhöhter Blutungsneigung führt. Eine frühzeitige Diagnose und regelmäßige Behandlung mit Gerinnungsfaktoren sind entscheidend, um Komplikationen zu vermeiden. Mit der richtigen Therapie können Betroffene ein normales Leben führen.
Patientenhinweise
Wenn Sie oder ein Familienmitglied Symptome wie häufige Blutungen oder große Blutergüsse bemerken, sollten Sie einen Arzt aufsuchen. Eine frühzeitige Diagnose kann helfen, die Lebensqualität zu verbessern und Komplikationen zu vermeiden. Informieren Sie sich über die Erkrankung und die verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten, um aktiv an der Gesundheitsversorgung teilzunehmen.
Quellen
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