Symptome
Der Praktiker wird das Kabuki-Syndrom (KS) bei seinen Patienten nur selten sehen. Deshalb ist es von besonderer Wichtigkeit, dass ihn die folgende Kombination von Symptomen an diesen genetischen Defekt denken lässt:
- Charakteristische Gesichtszüge. Hierbei handelt es sich wohl um das auffälligste Merkmal des KS-Patienten. Nahezu alle Betroffenen haben große, tassenförmige Ohren, sehr breite und hoch gewölbte Augenbrauen und verlängerte Lidspalten. Regelmäßig findet sich zudem eine Eversion des lateralen Drittels des unteren Augenlids und eine flache Nasenspitze [1] [2].
- Wachstumsverzögerung. Das Geburtsgewicht von KS-Patienten liegt meist im Normalbereich, aber die postnatale körperliche Entwicklung ist in vielen Fällen durch eine deutliche Wachstumsverzögerung gekennzeichnet [1] [2] [3].
- Geistige Retardierung. Mehr als 90% aller Betroffenen sind geistig behindert. Die Intelligenzminderung geht mit Problemen beim Verstehen der gesprochenen Sprache, Verzögerungen im Spracherwerb und kognitiven Störungen einher [2] [4].
- Missbildungen des Skeletts. Das Spektrum skelettaler Anomalien ist breit und umfasst Malformationen der Wirbelsäule, insbesondere Skoliose und missgebildete Wirbelkörper, eine Hypoplasie der Rippen, Ektrodaktylie und Brachydaktylie [1] [2] [4].
- Anomalien der Haut. Die Persistenz der fetalen Fingerspitzenpolster ist für KS-Patienten ebenso typisch wie abnorme Dermatoglyphen [1] [2] [3] [4].
Zusätzlich zu diesen fünf Hauptsymptomen lassen sich zuweilen weitere kongenitale Missbildungen ausmachen, darunter solche der Augen und der Mundhöhle (Ptosis, Strabismus, Hypodontie), kardiovaskuläre (vor allem angeborene Herzfehler wie Aortenisthmusstenose, Vorhof- und Ventrikelseptumdefekte) und gastrointestinale (Analatresie) [1] [2] [3] [4]. Seltener wird zudem über Schwerhörigkeit oder Immunschwäche und Prädisposition für Autoimmunerkrankungen berichtet [1] [2] [3] [4].
Diagnostik
Der Goldstandard zur Diagnose des KS ist der Nachweis der zugrunde liegenden Mutationen der Gene KMT2D (vor allem autosomal-dominante familiäre Erkrankung) und KDM6A (meiste sporadische Fälle) [1] [2] [3] [4] [5] [6]. Entsprechende Untersuchungen werden jedoch erst veranlasst, wenn es die seltene Erkrankung auf die Liste möglicher Differenzialdiagnosen schafft. Hierfür sind neben dem Wissen um die Existenz des KS die in der Familienanamnese erhobenen Daten und die Resultate der klinischen Untersuchung entscheidend [1] [4]. Eine frühe Diagnosestellung ist anzustreben, da das Syndrom vor allem bei Assoziation mit kongenitalen Herzfehlern lebensbedrohlich sein kann.
Die Befunde, aus denen sich ein Verdacht auf das KS ableiten lässt, können im Wesentlichen ohne den Einsatz weiterführender diagnostischer Tests erhoben werden. Es empfiehlt sich jedoch, die bildgebende Diagnostik zu bemühen, um den Umfang der Missbildungen, insbesondere der des Herzens, präzise beurteilen zu können. Hierzu eignet sich die Echokardiographie besonders gut.
Therapie
Es gibt keine Heilung für das Kabuki-Syndrom, aber die Behandlung konzentriert sich auf die Linderung der Symptome und die Unterstützung der Entwicklung. Dazu gehören:
- Physiotherapie und Ergotherapie zur Förderung der motorischen Fähigkeiten.
- Sprachtherapie zur Verbesserung der Kommunikationsfähigkeiten.
- Medizinische Eingriffe zur Korrektur von Herzfehlern oder anderen körperlichen Anomalien.
- Regelmäßige ärztliche Überwachung zur Behandlung von Infektionen und anderen gesundheitlichen Problemen.
Prognose
Die Prognose für Menschen mit Kabuki-Syndrom variiert je nach Schweregrad der Symptome. Viele Betroffene können ein relativ normales Leben führen, benötigen jedoch kontinuierliche medizinische und therapeutische Unterstützung. Die Lebenserwartung kann durch begleitende gesundheitliche Probleme beeinflusst werden.
Ätiologie
Das Kabuki-Syndrom wird hauptsächlich durch Mutationen in den Genen KMT2D und KDM6A verursacht. Diese Gene spielen eine Rolle bei der Regulation der Genexpression, was bedeutet, dass sie beeinflussen, wie andere Gene im Körper aktiviert oder deaktiviert werden. Die meisten Fälle treten sporadisch auf, was bedeutet, dass es keine familiäre Vorgeschichte gibt.
Epidemiologie
Das Kabuki-Syndrom ist eine seltene Erkrankung, die weltweit auftritt. Die genaue Häufigkeit ist nicht bekannt, aber Schätzungen gehen von etwa 1 Fall pro 32.000 bis 86.000 Geburten aus. Es betrifft Männer und Frauen gleichermaßen.
Pathophysiologie
Die Pathophysiologie des Kabuki-Syndroms ist komplex und nicht vollständig verstanden. Die Mutationen in den Genen KMT2D und KDM6A führen zu einer fehlerhaften Regulation der Genexpression, was die Entwicklung und Funktion verschiedener Körpersysteme beeinträchtigt. Dies erklärt die Vielzahl der Symptome, die bei Betroffenen auftreten können.
Prävention
Da das Kabuki-Syndrom genetisch bedingt ist, gibt es keine spezifischen Maßnahmen zur Prävention. Bei bekannter genetischer Prädisposition in der Familie kann eine genetische Beratung hilfreich sein, um das Risiko für zukünftige Kinder abzuschätzen.
Zusammenfassung
Das Kabuki-Syndrom ist eine seltene genetische Erkrankung mit einer Vielzahl von Symptomen, die von charakteristischen Gesichtszügen bis hin zu Entwicklungsverzögerungen reichen. Die Diagnose erfolgt durch klinische Bewertung und genetische Tests. Obwohl es keine Heilung gibt, können verschiedene therapeutische Ansätze die Lebensqualität der Betroffenen verbessern.
Patientenhinweise
Für Patienten und ihre Familien ist es wichtig, sich über das Kabuki-Syndrom zu informieren und Zugang zu einem Netzwerk von medizinischen Fachleuten und Unterstützungsdiensten zu haben. Regelmäßige medizinische Überwachung und eine frühzeitige Intervention können dazu beitragen, die bestmögliche Entwicklung und Lebensqualität zu gewährleisten.
Quellen
- Adam MP, Hudgins L, Hannibal M. Kabuki Syndrome. In: Adam MP, Ardinger HH, Pagon RA, et al., eds. GeneReviews(R). Seattle (WA): University of Washington, Seattle.
- Kasdon BD, Fox JE. Kabuki syndrome: diagnostic and treatment considerations. Ment Health Fam Med. 2012; 9(3):171-179.
- Hannibal MC, Buckingham KJ, Ng SB, et al. Spectrum of MLL2 (ALR) mutations in 110 cases of Kabuki syndrome. Am J Med Genet A. 2011; 155a(7):1511-1516.
- Cheon CK, Ko JM. Kabuki syndrome: clinical and molecular characteristics. Korean J Pediatr. 2015; 58(9):317-324.
- Makrythanasis P, van Bon BW, Steehouwer M, et al. MLL2 mutation detection in 86 patients with Kabuki syndrome: a genotype-phenotype study. Clin Genet. 2013; 84(6):539-545.
- Ng SB, Bigham AW, Buckingham KJ, et al. Exome sequencing identifies MLL2 mutations as a cause of Kabuki syndrome. Nat Genet. 2010; 42(9):790-793.