Symptome
Ein typischer Fall eines Morbus Bechterew manifestiert mit einem allmählichen Beginn einer Schmerzempfindung im unteren Lumbalbereich, der einer Entzündung zuzuordnen ist. Als Begleiterscheinung dieser Entzündung kann Erschöpfung auftreten [5].
Das erste Schmerzsymptom entsteht möglicherweise durch eine Sakroiliitis, wobei sich der Schmerz im Gesäß beidseitig entlang der Beinunterseiten ausbreitet. Der Schmerz kann lokal zu Versteifungen führen. Die Schmerz- und Steifigkeitssymptome sind am Morgen oder nach prolongierter physischer Inaktivität stärker ausgeprägt. Lokale Wärmeapplikation führt allgemein zu einer Verbesserung der Symptomatik. Sobald es zur Knochenfusion kommt, kommt es zu einer Verminderung der Schmerzempfindung, die Flexibilität und Mobilität der Wirbelsäule werden jedoch stark beeinträchtigt. Dies ist eine Konsequenz von Exostosen, die zu Knochenfusionen führen. Eine chronische Spondylitis führt zu einem Verlust der lumbalen Lordose und zu einer verstärkten Kyphose, was in Form von Atembeschwerden zu einer ernsten Komplikation des Morbus Bechterew werden kann.
Patienten mit Morbus Bechterew können auch in anderen Gelenken Arthritis entwickeln, auch dort zeigen sich typische Entzündungssymptome. Im Fall einer peripheren Polyarthritis sind normalerweise die Gelenke der unteren Gliedmaßen betroffen. Eine möglicherweise auftretende plantare Fasziitis kann Fersenschmerzen verursachen, da auch Sehnen im Knöchelbereich, speziell die Umgebung Achillessehne, entzündet sein können [5].
Weitere Symptome einer ankylosierenden Spondylitis sind eine Iritis und eine Uveitis, welche eine ernstzunehmende Komplikation darstellt, die zu permanenten Augenschädigungen führen kann. Zudem können im Krankheitsverlauf Herz- und Nierenfunktion betroffen sein.
Diagnostik
Durch den schleichenden Beginn des Morbus Bechterew besteht im Normalfall eine zeitliche Verzögerung bis zur Erstellung einer robusten Diagnose [6].
Eine solche Diagnose wird hauptsächlich basierend auf den folgenden Kriterien erstellt:
- Festgestellte Patientensymptome im Rahmen einer genauen klinischen Untersuchung.
- Entzündungshinweise und verminderte Beweglichkeit findet man zuerst bei der Wirbelsäule. Unter Umständen werden auch eine Schmerzempfindlichkeit des Iliosakralgelenks und Haltungsanomalien beobachtet.
- Verschiedene Bildgebungsverfahren, zumeist Radiografien.
- Bluttests
Eine Radiografie der Wirbelsäule zeigt auffällige Wirbelränder und im späteren Krankheitsverlauf eine Erosion des Iliosakralgelenks. Gelenksfusionen können ebenso auftreten wie Syndesmophyten in den Zwischenwirbelräumen.
Bluttests können jedenfalls das HLA-B27 Protein nachweisen [7], das ein starkes diagnostisches Kriterium für Morbus Bechterew darstellt. Da aber viele Menschen dieses Gen besitzen, ist dieser Befund kein hinreichender Beweis für eine unwiderlegbare Diagnose. Zudem kann die Erythrozytensedimentationsrate (ESR) gemessen werden um Hinweise auf eine Entzündung zu gewinnen.
Therapie
Morbus Bechterew ist unheilbar. Die Behandlung konzentriert sich auf eine effiziente Schmerzlinderung. Physiotherapie und Training ermöglichen Patienten die Teilnahme an Alltagsaktivitäten.
Physio- und Ergotherapiesitzungen werden bei Morbus Bechterew Patienten empfohlen um physische Entstellungen zu vermeiden und die Funktion der betroffenen Gelenke so gut wie möglich zu erhalten. Die verschriebenen Übungen sollten zweimal täglich durchgeführt werden.
Medikamente werden zur Kontrolle der Entzündungssymptome und zur Schmerzlinderung verabreicht. Am häufigsten werden Aspirin und weitere nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAIDs) eingesetzt. Bei Patienten, die nicht auf NSAIDs ansprechen, können immunsuppressive Präparate wie beispielsweise Sulfasalzin gegeben werden [8].
Bei vorliegenden schwerwiegenden Deformitäten sind chirurgische Eingriffe eine Option. Hüft- und Knieendoprothesen werden hier häufig eingesetzt. Bei Wirbelsäulenanomalien kann ein operativer Eingriff auch angedacht werden; dies ist jedoch mit einem signifikant höheren Risiko für den Patienten verbunden [9].
Prognose
Die meisten Patienten mit Morbus Bechterew können ein normales Leben führen, da diese Krankheit nicht zu lebensbedrohlichen Sekundärerkrankungen führt [4]. Bei Einhaltung einer professionell betreuten Physiotherapie können Patienten trotz ihrer eingeschränkten Wirbelsäulenmobilität am normalen Leben teilnehmen.
Bei Frauen verläuft Morbus Bechterew milder als bei Männern und zeigt nur geringe Bewegungseinschränkungen und keine Deformitäten. Die Erkrankung bessert sich mit dem Alter, verschwindet aber nicht komplett.
Ätiologie
Morbus Bechterew ist bisher keiner definitiven Ursache zugeordnet, man geht jedoch von einer genetisch determinierten Erkrankung aus. Eine Anfälligkeit für Morbus Bechterew ist durch das Vorhandensein des HLA-B27 Antigens gegeben [2]. Im Allgemeinen besitzen Patienten mit dem codierenden Gen für dieses Protein eine erhöhte Anfälligkeit für Spondylitis.
Da das HLA-B27 Antigen bei beiden Geschlechtern mit gleicher Wahrscheinlichkeit vorkommt, sollte man eine geschlechterunabhängige Inzidenz erwarten. Morbus Bechterew betrifft aber häufiger Männer. Hellhäutige Morbus Bechterew Patienten besitzen fast immer eine Kopie des HLA-B Gens. Dieses Gen kann innerfamiliär weitergegeben werden, sodass Morbus Bechterew eine hereditäre Komponente besitzt.
Epidemiologie
Morbus Bechterew tritt häufiger bei Männern als bei Frauen auf, der Ausprägungsgrad ist bei Frauen außerdem immer viel schwächer [1]. Populationsstudien verwendeten Radiografiebefunde als diagnostisches Kriterium und bewiesen, dass Morbus Bechterew mehrheitlich Männer betrifft. Symptome treten normalerweise erstmals im Alter zwischen 15 und 35 Jahren auf. Bei älteren Menschen werden Symptome sehr selten beobachtet.
Pathophysiologie
Die genaue Ätiologie des Morbus Bechterew ist nicht bekannt, die Pathogenese dieser Erkrankung ist jedoch klar mit dem Vorhandensein des HLA-B27 Gens verknüpft [2]. Das primäre Krankheitsbild ist eine Enthesitis, die für Morbus Bechterew charakteristisch ist. Die Entzündungsfaktoren Interleukin-1 und Tumor-Nekrose-Faktor-Alpha sind auch mit Morbus Bechterew verbunden. Man vermutet eine Interaktion zwischen dem HLA-B27 Gen und CD8+ T-Zellen, welche das Immunsystem Knorpelzellen bekämpfen lässt [3].
Bei Morbus Bechterew ist der Rheumafaktor-Test negativ und typische histologische Befunde zeigen eine Entzündung der Enthesis, dem komplex aufgebauten Bindegewebekomplex rund um den Sehnenansatz [3].
Bei Morbus Bechterew ist die Enthesis der Wirbelkörper betroffen, was zeigt, dass der Bindegewebsknorpel der Enthesis ein Ziel für das Immunsystem darstellt. Im frühen Verlauf werden häufig Schädigungen in den Iliosakralgelenken beobachtet, unter anderem eine subchondrale Granulation, die die Gelenke erodieren und langsam durch Bindegewebsknorpel ersetzt werden, was schließlich zur Verknöcherung führt. In der Wirbelsäule zeigt sich Morbus Bechterew an der Grenzfläche der Wirbelkörper und an den Anili fibrosi der Disci intervertebrales. Diese verknöchern im Verlauf des Morbus Bechterew und bilden Syndesmophyten aus. Die Wirbelsäule verändert dadurch ihr Erscheinungsbild und ähnelt einem Bambusrohr mit fusionierten Wirbelkörper.
Zusätzlich kann eine leichte Entzündung des Synoviums auftreten, das die Gelenke pufferartig schützt.
Im weiteren Verlauf wird auch das periartikuläre Gewebe in Mitleidenschaft gezogen, schließlich kommt es zur Gelenksfusion und zu einer Immobilisierung des Gelenks.
Prävention
Man kann diese Erbkrankheit nicht verhindern. Präventionsstrategien zielen auf eine Vermeidung ernsterer Komplikationen und auf Schmerzverringerung ab. Physiotherapie [10] und Trainingsprogramme unterstützen bei der Bewahrung der Wirbelsäulenmobilität und erlauben beschwerdearme Bewegung. Langfristig wird außerdem zum Zigarettenverzicht geraten.
Zusammenfassung
Der Morbus Bechterew ist eine Form von Arthritis, die eine chronische Entzündung der Wirbelsäule, der peripheren Gelenke und extraartikulärer Strukturen verursacht. Die Erkrankung betrifft vor allem die Wirbelsäule, Iliosakralgelenke und Hüftgelenke. Morbus Bechterew ist eine Form von entzündlicher Arthritis.
Enthesitis ist ebenfalls ein wichtiges Merkmal dieser Krankheit und trägt zu Schmerzen und Steifigkeit bei. Dies kann im Verlauf zu einer verringerten Flexibilität und Mobilität führen.
Morbus Bechterew ist eine systemische rheumatische Erkrankung, die verschiedene Organsysteme, wie das Auge, Herz, Lunge, Haut, sowie Magen-Darm-Trakt betreffen kann.
Die Erkrankung ist die wichtigste Ursache für entzündliche Rückenschmerzen bei jungen Erwachsenen. Weitere typische Symptome sind periphere Arthritis und extraartikuläre Manifestationen wie Iritis und Uveitis.
Patientenhinweise
Morbus Bechterew ist eine Erkrankung, die zu einer chronischen Entzündung in Ihrer Wirbelsäule und damit zu starken Schmerzen, Steifigkeit und Mobilitätsverlust führt. Auch andere Gelenke und viele Organe - Augen, Nieren, Herz, Lunge und Haut - können betroffen sein. Da die genaue Ursache für Morbus Bechterew nicht bekannt ist, gibt es keine Heilung oder Vermeidungsstrategie. Männer sind von Morbus Bechterew stärker betroffen als Frauen.
Die häufigsten Beschwerden sind Schmerzen im unteren Rückenbereich, der in die Hüfte ausstrahlt. Die Schmerzen beginnen schleichend und verschlechtern sich langsam, was zu Steifigkeit und Bewegungseinschränkungen führen kann. Morbus Bechterew kann auch andere Organe betreffen, dabei sind Augenkomplikationen besonders hervorzuheben - diese sind umgehend zu behandeln, um irreversible Schädigungen am Auge zu vermeiden.
Für eine korrekte Diagnose ist es unbedingt nötig professionelle Unterstützung zu suchen. Für die Erstellung der Diagnose sind eine Ganzkörperuntersuchung und ein paar zusätzliche Kontrolluntersuchungen nötig.
Die Behandlung konzentriert sich auf eine Linderung der Schmerzsymptome und auf eine Kontrolle der Entzündungssymptome. Eine einmalige Behandlung reicht nicht aus. Im Rahmen der Behandlung sind professionelles Training und Physiotherapiesitzungen nötig um die Beweglichkeit des Körpers zu erhalten und die Entstehung von Entstellungen zu vermeiden, die - sobald sie ausgebildet sind - ungleich schwerer kontrollierbar sind. Das erwähnte Training sollte regelmäßig durchgeführt werden. Als Medikamente werden üblicherweise nicht-steroidale Antiphlogistika zur Verminderung der Entzündungssymptome verschrieben. Im späteren Verlauf des Morbus Bechterew können operative Eingriffe nötig werden um Gelenkprothesen zu implantieren. Dies betrifft vor allem Hüfte und Knie.
Morbus Bechterew ist durch konsequente Physiotherapie, Training und passende Medikamentengabe gut kontrollierbar. Chirurgische Eingriffe sind selten nötig. Schwimmen bietet sich bei Morbus Bechterew Patienten als effizientes Training zur Mobilitätsbewahrung an. Patienten wird außerdem geraten ihren Kopf und ihre Füße nicht künstlich mit Kissen hoch zu lagern, da dies die charakteristischen Gelenkfusionen begünstigen kann.
Morbus Bechterew ist nicht vollständig heilbar, Patienten können Phasen von Remission und Rückfälle erleben. Bei der Behandlung besteht das Hauptziel in der Schmerzlinderung, der Bewahrung einer angemessenen Körperhaltung und der Gelenkmobilität sowie der Vermeidung von Gelenkdeformitäten, sodass Patienten ein den Umständen entsprechend normales Leben führen können.
Quellen
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