Die multifokale motorische Neuropathie (MMN) ist sehr wahrscheinlich eine Autoimmunerkrankung. Autoantikörper, die sich gegen die Ganglioside GM1 oder GM2 richten, können in der Mehrzahl der Fälle detektiert werden. Es kommt zu einer Entzündungsreaktion im Bereich der Ranvier'schen Schnürringe und folglich zu einer Reduktion der Nervenleitungsgeschwindigkeit. Betroffene leiden unter einer progressiven Gliedmaßenschwäche. Viele Patienten sprechen gut auf eine Immuntherapie an und erlangen ihre motorischen Fähigkeit wieder.
Die MMN betrifft gewöhnlich Patienten im mittleren Erwachsenenalter und häufiger Männer als Frauen [1]. Die Prädisposition des männlichen Geschlechts für diese Erkrankung zeigt sich umso stärker, je früher sich erste Symptome einstellen [2]. Betroffene werden meist aufgrund einer zunehmenden Schwäche der distalen Gliedmaßen - der Arme häufiger als der Beine - vorstellig. Schwierigkeiten beim Faustschluss oder beim Strecken der Finger, eine verminderte Fingerfertigkeit oder Fußheberschwäche werden gewöhnlich beschrieben [3]. Auch kann sich die Gliedmaßenschwäche initial als verminderte Belastbarkeit mit vorzeitiger Ermüdung zeigen, sich dann aber langsam zu einem deutlich motorischen Defizit entwickeln. Über Faszikulationen wird oft berichtet. Im Laufe der Zeit wird eine leichte bis mittelgradige Muskelatrophie erkennbar. Falls sensorische Defizite auftreten, so sind diese auf milde Alterationen des Vibrationssinns beschränkt [4] [5].
Die MMN entwickelt sich asymmetrisch, d.h. die Muskelkraft in beiden Extremitäten differiert um mindestens einen Grad entsprechend der Skala des British Medical Research Councils. Werden im Rahmen einer neurologischen Untersuchung die Reflexe in den betroffenen Gliedmaßen getestet, so fallen diese entweder schwach aus oder sind überhaupt nicht auslösbar. Die Erkrankung betrifft mindestens zwei periphere Nerven; eine isolierte Neuropathie eines einzelnen Nerven macht eine MMN unwahrscheinlich [5] [6].
Es sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass MMN-Patienten ein erhöhtes Risiko für Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto-Thyreoiditis und Diabetes mellitus Typ 1 haben [7]. Es können daher Symptome auftreten, die nicht mit einer MMN, wohl aber mit anderen autoimmunen Geschehen in Zusammenhang stehen.
Die Diagnose einer MMN erfolgt auf Basis klinischer und elektrophysiologischer Befunde. Bezüglich der Elektrophysiologie ist die Feststellung eines Leitungsblocks ein wertvoller Hinweis auf die Erkrankung. Typischerweise zeigt sich solch ein Leitungsblock in einer Reduktion der proximal und distal gemessenen Flächen motorischer Summenaktionspotenziale um mindestens 50%. Die Amplitude distaler Potenziale beträgt dabei >1 mV und >20% des unteren physiologischen Normwerts. Weitere elektrophysiologische Richtwerte sind anderswo zusammengestellt [5]. Es ist wichtig, zu beachten, dass Leitungsblöcke nicht in jedem Fall feststellbar sind [8]. In Abwesenheit von Leitungsblöcken weisen eine verminderte Nervenleitungsgeschwindigkeit sowie verlängerte distale motorische Latenzen auf eine MMN hin. Diese Befunde resultieren aus einer multifokalen Demyelinisierung motorischer Nerven [1]. Die Durchführung einer Biopsie mit anschließender histologischer Untersuchung von Nervengewebe ist in der Regel nicht erforderlich, um die Diagnose zu bestätigen.
Blutproben sollten genommen und hinsichtlich der Titer von Antigangliosid-Antikörpern untersucht werden. Dieser Test ist bezüglich der Diagnose der MMN allerdings von geringer Sensitivität und Spezifität [9]. In vielen Fällen können keine solchen Antikörper detektiert werden, und geringe Titer wurden auch bei Patienten gemessen, die an Krankheiten wie amyotrophe Lateralsklerose leiden [10]. Folglich lässt sich nur aus hohen Titern auf eine MMN schließen.
Es wird empfohlen, Blutbild und Blutchemie anzufordern und auf Alterationen zu achten, die begleitende Autoimmunerkrankungen anzeigen können.