Symptome
ME betreffen zumeist Patienten, die über 50 Jahre alt sind und nehmen in der Regel einen schleichenden Verlauf [3].
Im Rahmen der ME kommt es aufgrund der gesteigerten, effektiven Hämatopoese zu einer Erhöhung der Zellzahl im peripheren Blut, wobei einzelne oder alle Zelllinien betroffen sein können [3]. Im Blutbild spiegelt sich diese Entwicklung als Erythrozytose, Leukozytose und/oder Thrombozytose wieder [4]. In routinemäßigen Blutuntersuchungen erhoben stellen derartige Befunde nicht selten den ersten Hinweis auf das Vorliegen einer ME dar. Das klinische Äquivalent zu den erhöhten Zellzahlen sind unspezifische Symptome wie Durchblutungsstörungen, Thrombophilie und Thrombembolien [5].
Die verstärkte extramedulläre Hämatopoese kann eine Hepatosplenomegalie provozieren, und die vergrößerten Organe können in der klinischen Untersuchung palpiert werden. Die Hepatosplenomegalie mag unspezifische Symptome wie abdominelle Schmerzen, Appetitverlust, vorzeitige Sättigung und Völlegefühl hervorrufen.
Die ME geht mit einer progredienten Myelofibrose einher, sodass in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung die Hämatopoese immer stärker eingeschränkt ist. Entsprechend entwickeln sich Zytopenien. Anämie, Neutropenie und Thrombozytopenie verursachen dann Beschwerden wie allgemeine Schwäche, Müdigkeit, Leistungsverlust, Blässe, Atemnot und Palpitationen; eine erhöhte Infektanfälligkeit und eine hämorrhagische Diathese [6].
Schließlich kann sich aus einer ME eine akute myeloische Leukämie entwickeln.
Diagnostik
Die Diagnose beruht hauptsächlich auf Blut- und Knochenmarkanalysen [4]. Bezüglich der Gewinnung von Knochenmarkproben ist sowohl eine Aspiration als auch eine Biopsie durchzuführen, da so nicht nur zytologische sondern auch immunhistochemische und histologische Untersuchungen realisiert werden können [7]. Allerdings bleibt eine Knochenmarkaspiration bei fortgeschrittener Myelofibrose unter Umständen erfolglos. Die Zellzahlen und relativen Anteilen einzelner Zellpopulationen am Gesamtpool werden ermittelt, und hier liegt ein besonderer Augenmerk auf dem Blastenanteil. Dieser ist für die Bestimmung des Krankheitsstadiums von Bedeutung. Darüber hinaus ist die Morphologie der Zellen zu beurteilen. Zytogenetische und molekularbiologische Untersuchungen müssen angeschlossen werden, um den Genotyp der degenerierten Zellen zu bestimmen [8]. Die Identifikation des BCR-ABL-Fusionsgens (Philadelphia-Chromosom) oder die Detektion von Mutationen der Gene JAK2 (Januskinase 2), CALR (Calreticulin) und MPL (Thrombopoietin-Rezeptor) sind Voraussetzung für die Wahl einer geeigneten Therapie [9] [10].
Pathognomische Befunde sind nicht zu erwarten; die erhobenen Befunde müssen in jedem Fall im Kontext beurteilt werden. Für die einzelnen Pathologien, die als ME eingeordnet werden, hat die Weltgesundheitsorganisation zum Teil diagnostische Kriterien veröffentlicht. Der interessierte Leser wird dazu auf die Beiträge zu den jeweiligen Erkrankungen verwiesen.
Therapie
Die Behandlung von MPEs zielt darauf ab, die Symptome zu kontrollieren und Komplikationen zu verhindern. Dies kann durch Medikamente geschehen, die die Zellproduktion im Knochenmark hemmen, wie Hydroxyurea oder Interferon. Bei einigen Patienten kann eine Aderlass-Therapie (Phlebotomie) notwendig sein, um die Anzahl der roten Blutkörperchen zu reduzieren. In fortgeschrittenen Fällen kann eine Knochenmarktransplantation in Betracht gezogen werden.
Prognose
Die Prognose von MPEs variiert je nach Art der Erkrankung und dem Ansprechen auf die Behandlung. Viele Patienten können mit einer angemessenen Therapie ein normales Leben führen. Allerdings besteht bei einigen Formen, wie der primären Myelofibrose, ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer akuten myeloischen Leukämie, was die Prognose verschlechtern kann.
Ätiologie
Die genaue Ursache von MPEs ist nicht vollständig verstanden. Es wird angenommen, dass genetische Mutationen, insbesondere im JAK2-Gen, eine zentrale Rolle spielen. Diese Mutationen führen zu einer unkontrollierten Zellteilung im Knochenmark. Umweltfaktoren und eine familiäre Vorbelastung können ebenfalls das Risiko erhöhen.
Epidemiologie
MPEs sind relativ seltene Erkrankungen. Sie treten häufiger bei älteren Erwachsenen auf, wobei die meisten Diagnosen bei Personen über 60 Jahren gestellt werden. Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen. Die Inzidenz variiert weltweit, was auf genetische und umweltbedingte Unterschiede hinweisen könnte.
Pathophysiologie
Die Pathophysiologie von MPEs ist komplex und beinhaltet eine gestörte Signalübertragung in den Zellen des Knochenmarks. Mutationen im JAK2-Gen führen zu einer ständigen Aktivierung von Signalwegen, die das Zellwachstum fördern. Dies resultiert in einer übermäßigen Produktion von Blutzellen, die die normale Funktion des Blutes beeinträchtigen kann.
Prävention
Da die genauen Ursachen von MPEs nicht vollständig bekannt sind, gibt es keine spezifischen Maßnahmen zur Prävention. Eine frühzeitige Diagnose und regelmäßige Überwachung können jedoch helfen, Komplikationen zu vermeiden und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern.
Zusammenfassung
Der aktuellen Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation zufolge umfasst der Terminus myeloproliferative Erkrankung (ME) die nachstehenden Pathologien [1]:
- Philadelphia-Chromosom-positive chronische myeloische Leukämie
- Philadelphia-Chromosom-negative ME
- Polycythämia vera
- Essentielle Thrombozythämie
- Primäre Myelofibrose
- Neutrophile Leukämie
- Eosinophile Leukämie bzw. idiopathisches hypereosinophiles Syndrom
- Mastozytose
- Nicht klassifizierbare ME
Diese Einteilung ist jedoch nicht unumstritten, da sich die einzelnen Krankheiten in ihrer Pathogenese mitunter stark unterscheiden und einige nicht einmal das Kriterium der "unkontrollierten Proliferation hämatopoetischer Stammzellen" erfüllen: Die Dominanz der jeweiligen Zelllinie ergibt sich dann aus einer verminderten Apoptoserate und nicht aus einer Myeloproliferation [2].
Patientenhinweise
Patienten mit MPEs sollten regelmäßig ihren Arzt aufsuchen, um ihre Blutwerte überwachen zu lassen und die Behandlung anzupassen. Es ist wichtig, auf Symptome wie Müdigkeit, Blutungen oder ungewöhnliche Schmerzen zu achten und diese umgehend zu melden. Eine gesunde Lebensweise, einschließlich einer ausgewogenen Ernährung und regelmäßiger Bewegung, kann ebenfalls dazu beitragen, die Lebensqualität zu verbessern.
Quellen
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- Spivak JL, Silver RT. The revised World Health Organization diagnostic criteria for polycythemia vera, essential thrombocytosis, and primary myelofibrosis: an alternative proposal. Blood. 2008; 112(2):231-239.
- Krause SW, Mackensen A. [Chronic myeloproliferative diseases. Current therapeutic standards and new developments]. Internist (Berl). 2008; 49(12):1452-1457.
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- Kreher S, Ochsenreither S, Trappe RU, et al. Prophylaxis and management of venous thromboembolism in patients with myeloproliferative neoplasms: consensus statement of the Haemostasis Working Party of the German Society of Hematology and Oncology (DGHO), the Austrian Society of Hematology and Oncology (OGHO) and Society of Thrombosis and Haemostasis Research (GTH e.V.). Ann Hematol. 2014; 93(12):1953-1963.
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- Lengfelder E, Berger U, Reiter A, Hochhaus A, Hehlmann R. [Chronic myeloproliferative diseases. Diagnosis and therapy]. Internist (Berl). 2003; 44(8):1011-1012, 1015-1027; quiz 1028-1019.
- Nangalia J, Green TR. The evolving genomic landscape of myeloproliferative neoplasms. Hematology Am Soc Hematol Educ Program. 2014; 2014(1):287-296.