Symptome
Der plötzliche Visusverlust ist das Leitsymptom der Purtscher-Retinopathie (PR). In allen Fällen, die bis dato beschrieben wurden, berichteten die Betroffenen über eine verminderte Sehschärfe, eine Reduktion des Gesichtsfeldes oder eine Kombination aus beiden. Tatsächlich kommt es in den meisten Fällen wohl zu einer Verminderung der Sehschärfe und gleichzeitig zu Gesichtsfeldausfällen [1]. Ein höchstgradiger Visusverlust im Sinne akuten Erblindens ist genauso möglich wie das Auftreten von ringförmigen, zentralen oder parazentralen Skotomen bzw. Defekten des Gesichtsfeldes, die mehr oder weniger große Segmente umfassen [2]. Sämtliche okulären Symptome können auf ein Auge begrenzt bleiben oder bilateral auftreten.
Die beschriebenen Symptome treten zumeist ein bis zwei Tage nach einem Trauma oder anderen akuten Erkrankungen auf, die eine PR induzieren können, z.B. akute Pankreatitis, Nierenversagen, thrombozytopenische Purpura, Kryoglobulinämie, Skeroderma, systemischer Lupus erythematodes, die Geburt eines Kindes, Präeklampsie oder HELLP-Syndrom [3] [4] [5] [6] [7]. Es sind jene Traumata oder andere Erkrankungen, die das klinische Bild verkomplizieren können. So zeigen Patienten, bei denen ein augennahes Trauma zur PR geführt hat, häufig auch Symptome eines Schädel-Hirn-Traumas oder Thoraxverletzungen.
Diagnostik
Die Untersuchung des Augenhintergrundes ist essenziell zur Diagnose der PR. Im Fall einer PR können regelmäßig folgende Befunde erhoben werden [3]:
- Cotton-Wool-Spots. Diese hellen Flecken, die an Watte erinnern, entsprechen deutlich demarkierten Regionen einer fokalen Ischämie der Retina. Infolge der Ischämie kommt es zur Beeinträchtigung von Transportvorgängen in den Axonen, die gleichzeitig anschwellen. In bis zu 90% der PR-Fälle sind Cotton-Wool-Spots auszumachen [8] [9].
- Netzhautblutungen können im Stratum neurofibrarum erkannt werden, wo sie oft flammenartig erscheinen, oder in den inneren Schichten der Retina. Wenn sie statt der Nervenfaserschicht die innen gelegenen Abschnitte der Netzhaut betreffen, stellen sie sich in der Regel als punktförmige Läsionen dar. Auch dieser Befund ist bei der überwiegenden Mehrzahl der PR-Patienten zu erheben, etwa bei 90%.
- Die sogenannten Purtscher-Flecken sind der Literatur nach pathognomonisch für die PR, aber sie lassen sich nur bei etwa der Hälfte der Betroffenen nachweisen [8]. Bei den Purtscher-Flecken handelt es sich um polygonale, weißlich veränderte Felder der Retina. Man geht davon aus, das sie das Resultat kapillärer Infarkte sind.
- Der Sehnervenkopf erscheint anfänglich unverändert, aber im Verlauf der Erkrankung kann sich möglicherweise auch ein Papillenödem entwickeln.
Neben der Fundoskopie eignet sich die Fluoreszenzangiografie zur Diagnose der PR. Zu erwarten sind fokale Ischämien der Retina einschließlich ihres Kapillarbetts, darüber hinaus möglicherweise eine Dilatation venöser Gefäße und der Austritt von Farbstoff aus den Venen [10].
Aufgrund der Tatsache, dass die PR hauptsächlich in der Folge extraokulärer Traumata auftritt, insbesondere im Rahmen von Kopf- und Thoraxtraumata, empfiehlt es sich, die bildgebende Diagnostik zu bemühen, eine Computer- oder Magnetresonanztomographie der betroffenen Region und/oder ein Thoraxröntgen durchzuführen. Falls bei bestehendem PR-Verdacht nicht über ein solches Trauma berichtet wird, sollten labordiagnostische Untersuchungen realisiert werden, um Pathologien wie Pankreatitis und Nierenversagen oder systemische Leiden zu identifizieren.
Therapie
Es gibt keine spezifische Therapie für die Purtscher-Retinopathie. Die Behandlung konzentriert sich in der Regel auf die Behandlung der zugrunde liegenden Ursache, wie z.B. die Stabilisierung nach einem Trauma. In einigen Fällen können Kortikosteroide eingesetzt werden, um die Entzündung zu reduzieren. Die Prognose hängt stark von der Schwere der Netzhautschädigung und der zugrunde liegenden Ursache ab.
Prognose
Die Prognose der Purtscher-Retinopathie variiert stark. In einigen Fällen kann sich das Sehvermögen innerhalb von Wochen bis Monaten spontan verbessern. In anderen Fällen kann es zu bleibenden Sehverlusten kommen. Die frühzeitige Erkennung und Behandlung der zugrunde liegenden Ursache kann die Prognose verbessern. Langfristige Nachsorgeuntersuchungen sind wichtig, um den Verlauf der Erkrankung zu überwachen.
Ätiologie
Die genaue Ursache der Purtscher-Retinopathie ist nicht vollständig geklärt. Sie tritt häufig nach schweren Traumata auf, insbesondere nach Kopf- oder Thoraxverletzungen. Auch andere Erkrankungen wie akute Pankreatitis, Nierenversagen oder Autoimmunerkrankungen können mit der Purtscher-Retinopathie in Verbindung gebracht werden. Es wird angenommen, dass die Erkrankung durch eine Schädigung der kleinen Blutgefäße in der Netzhaut verursacht wird.
Epidemiologie
Die Purtscher-Retinopathie ist eine seltene Erkrankung, und es gibt nur wenige epidemiologische Daten. Sie tritt häufiger bei Erwachsenen auf, kann jedoch in jedem Alter vorkommen. Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen. Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung ist es schwierig, genaue Häufigkeitszahlen anzugeben.
Pathophysiologie
Die Pathophysiologie der Purtscher-Retinopathie ist komplex und nicht vollständig verstanden. Es wird angenommen, dass die Erkrankung durch eine Schädigung der kleinen Blutgefäße in der Netzhaut verursacht wird, die zu einer Minderdurchblutung und Sauerstoffmangel führt. Dies kann durch Embolien, Thrombosen oder direkte Gefäßschäden ausgelöst werden. Die resultierende Schädigung der Netzhaut führt zu den charakteristischen Symptomen und Veränderungen.
Prävention
Da die Purtscher-Retinopathie häufig nach Traumata auftritt, besteht die beste Prävention in der Vermeidung solcher Verletzungen. Dies kann durch Sicherheitsmaßnahmen im Alltag, bei der Arbeit und im Straßenverkehr erreicht werden. Bei Patienten mit bekannten Risikofaktoren, wie z.B. Autoimmunerkrankungen, ist eine engmaschige medizinische Überwachung wichtig, um mögliche Komplikationen frühzeitig zu erkennen.
Zusammenfassung
Die Purtscher-Retinopathie ist eine seltene, aber ernstzunehmende Erkrankung der Netzhaut, die häufig nach schweren Traumata auftritt. Sie ist durch plötzlichen Sehverlust und charakteristische Netzhautveränderungen gekennzeichnet. Die Diagnose erfolgt durch eine augenärztliche Untersuchung, und die Behandlung konzentriert sich auf die zugrunde liegende Ursache. Die Prognose variiert, und eine frühzeitige Erkennung kann den Verlauf positiv beeinflussen.
Patientenhinweise
Wenn Sie oder jemand in Ihrem Umfeld nach einem Trauma plötzliche Sehstörungen bemerken, ist es wichtig, schnellstmöglich einen Augenarzt aufzusuchen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können helfen, das Sehvermögen zu erhalten. Achten Sie auf Sicherheitsmaßnahmen, um Verletzungen zu vermeiden, und lassen Sie sich regelmäßig medizinisch untersuchen, wenn Sie Risikofaktoren für die Purtscher-Retinopathie haben.
Quellen
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- Proença Pina J, Ssi-Yan-Kai K, de Monchy I, Charpentier B, Offret H, Labetoulle M. Purtscher-like retinopathy: case report and review of the literature. J Fr Ophtalmol. 2008;31 (6:609).
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